KI-gestützte Beschleuniger-Infrastruktur

Die Priorisierte Forschungsinfrastruktur des KIT vereint die Testanlagen Karlsruhe Research Accelerator (KARA) und KIT Light Source. Sie besteht aus einem 2,5-GeV-Elektronenspeicherring, der Elektronen auf einen sehr hohen Bruchteil der Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und sie auf eine Kreisbahn lenkt. Während sich die Elektronen um den Ring bewegen und in Einfügevorrichtungen wellenförmig umlaufen, emittieren sie Synchrotronstrahlung und erzeugen Licht für Beamlines. Diese Strahlung wird dann durch Spiegel und andere optische Komponenten in verschiedenen Beamlines fokussiert. Jede Beamline ist darauf ausgelegt, eine bestimmte Art von Synchrotronstrahlung für ein bestimmtes Experiment zu liefern. Einige Beamlines liefern zum Beispiel Röntgenstrahlung, andere Infrarot- oder Ultraviolettstrahlung. Die in einem Speicherring wie KARA zirkulierenden Teilchen verlieren durch die Emission von Synchrotronstrahlung eine geringe Menge an Energie. Allerdings werden die Teilchen bei jeder Umdrehung durch Hochfrequenzhohlräume wieder beschleunigt, so dass sie ihre hohe Geschwindigkeit beibehalten. Die Synchrotronstrahlung, die von den zirkulierenden Elektronen ausgesandt wird, wird für die wissenschaftliche Forschung an der KIT Light Source genutzt.
 

Strangschema des Hauptrings und der Beamline

 

3 große operative Herausforderungen

Beschleuniger sind komplex und verbrauchen viel Energie, weshalb sie eine stabile und hochwertige Stromversorgung benötigen, die in der Regel über das öffentliche Stromnetz bereitgestellt wird. Die Aufrechterhaltung einer stabilen Stromversorgung stellt jedoch eine Herausforderung dar, da die Beschleuniger ihren Energiebedarf nicht anpassen können, vor allem, wenn eine hohe Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien erfolgt. Infolgedessen wirken sich Beschleuniger negativ auf das Management des öffentlichen Netzes aus, da die Einrichtung unabhängig vom Zustand des Netzes (z. B. überlastet oder unter Stress) immer noch eine konstante Stromversorgung benötigt, um Experimente effektiv durchzuführen.

Daher sind vor allem drei Hauptprobleme bekannt:

  1. Hoher Stromverbrauch
    Große Forschungseinrichtungen wie Teilchenbeschleuniger benötigen enorme Mengen an Energie, wobei der jährliche Verbrauch Hunderte von GWh erreicht ähnlich dem von europäischen Großstädten. Da nur etwa die Hälfte der Energie in Europa aus erneuerbaren Quellen stammt, tragen diese Einrichtungen erheblich zu den CO2-Emissionen bei. Steigende Energiekosten erschweren die Situation zusätzlich und machen deutlich, wie dringend notwendig nachhaltige Lösungen sind, um sowohl die Umweltbelastung als auch die finanzielle Belastung der Forschungseinrichtungen zu verringern.
  2. Hohe Leistungsspitzen
    Der Energiebedarf von KARA schwankt erheblich zwischen „Stand-by“- (200 kW) und „aktivem“ Betrieb (650 kW), wie es für viele Großforschungsanlagen typisch ist. Diese hohen Leistungsspitzen stellen eine Herausforderung für die Energieversorgung und das Kostenmanagement dar: Erstens können diese Spitzen zu Leitungsüberlastungen führen, die das Stromnetz belasten und möglicherweise Unterbrechungen im Betrieb verursachen. Zweitens ist die Energiepreisgestaltung häufig an den maximalen Strombedarf gebunden je höher der Spitzenverbrauch, desto höher die Gesamtenergiekosten. Diese doppelte Problematik erhöht nicht nur die Betriebskosten, sondern unterstreicht auch die Notwendigkeit von Strategien zur effektiven Bewältigung von Stromspitzen, die sowohl Zuverlässigkeit als auch Kosteneffizienz bei der Energienutzung gewährleisten.

  3. Hohe Netzqualität erforderlich
    Probleme mit der Stromversorgungsqualität für Beschleuniger sind hauptsächlich auf Störungen im öffentlichen Stromnetz zurückzuführen. Wenn es im Netz zu Problemen wie Spannungseinbrüchen oder -spitzen kommt, können diese Schwankungen die Leistung der Beschleuniger erheblich beeinträchtigen. Schnelle Spannungsschwankungen können dazu führen, dass empfindliche Geräte ausfallen oder sich abschalten, was zu Strahlinstabilitäten und Verzögerungen bei Experimenten führt. Diese Instabilität beeinträchtigt auch die Genauigkeit von Mess- und Kalibrierungsgeräten, was häufig dazu führt, dass Experimente wiederholt werden müssen, was zusätzliche Ressourcen und Energie verbraucht. Darüber hinaus können netzgekoppelte Umrichter, die in Beschleunigern eingesetzt werden, Oberschwingungen in die Stromversorgung einspeisen, die das elektrische System stören und mehr Messungen verursachen.

 

ACCelerator Energy System Stability Projekt (ACCESS)

Um die Stabilität und Energieeffizienz des Beschleunigerbetriebs zu verbessern, ist die Erforschung und Entwicklung neuer Energielösungen von entscheidender Bedeutung.
Das ACCESS-Projekt ist ein gemeinsames Projekt des KIT und der TU Darmstadt und zielt darauf ab, das Energiemanagement und die Netzqualität für große Beschleunigeranlagen zu verbessern. Hauptziel ist die Sicherstellung einer zuverlässigen Stromversorgung unter sich ändernden Netzbedingungen durch die Entwicklung fortschrittlicher Leistungselektronik, Lastmanagement- und Steuerungskonzepte. Schlüsselanlagen wie das KARA-Synchrotron am KIT dienen als Benchmark, um Lösungen zu testen, bevor sie auf größere Beschleuniger wie DESY, HZB und GSI angewendet werden.
Zu den wichtigsten Errungenschaften gehören:

  1. Entwicklung eines digitalen Zwillings: Erstellung eines Echtzeit-Simulationsmodells für Beschleunigersysteme zur Validierung von Energielösungen ohne Betriebsunterbrechung.
  2. Verbesserung der Netzqualität: Entwicklung eines modularen Multilevel-Konverters zur Stabilisierung der Netzbedingungen und zur Kompensation von Spannungseinbrüchen, Oberschwingungen und anderen Leistungsstörungen.

Am KIT wird das Projekt in Zusammenarbeit zwischen dem Power Hardware in the Loop-Labor im Energy Lab und dem Synchrotron KARA am Institut für Strahlphysik und Technologie durchgeführt.

 

Echtzeitsimulation mit einem digitalen Zwilling

Im Rahmen des KITTEN-Projekts besteht das technische Hauptziel darin, eine digitale Nachbildung der KARA-Beschleuniger (digitaler Zwilling) in einer echtzeitfähigen Simulationsumgebung zu entwickeln.
Dazu modellieren wir das elektrische Netz von KARA in dem digitalen Echtzeitsimulator des Energylabs und reproduzieren einen Punkt des simulierten Netzes im Labor (z. B. eine gemessene Spannung) mit einem 1MVA-Leistungsverstärker, der dann mit dem digitalen Zwilling von KARA getestet werden kann.
Um die Genauigkeit des Modells zu gewährleisten, gibt es eine Kommunikationsinfrastruktur zwischen Energy Lab und KARA: Hier werden die Echtzeit-Leistungsprofile gemessen und zwischen KARA und Energylab mit einer Abtastrate von 10kHz übertragen. Diese Kommunikationsinfrastruktur stellt sicher, dass der digitale Zwilling die physische Anlage genau abbildet, und ermöglicht Echtzeit-Experimente sowie die Validierung von Fortschritten in den Bereichen Energiemanagement und Stromqualität.
Darüber hinaus benötigt das digitale Zwillingsmodell geeignete leistungselektronische Konzepte, um Verbesserungen für reale Synchrotronanlagen zu erreichen. Diese werden von der TU Darmstadt entwickelt.

 

Vorteile und Forschungsziele

Mit dem Digitalen KARA-Zwilling können wir Möglichkeiten zur Optimierung des Lastverbrauchs während der Experimente untersuchen und Energiemanagementlösungen durch Power-Hardware-In-the-Loop-Tests validieren:

  • Der digitale Zwilling ermöglicht die genaue Reproduktion der tatsächlichen Anlage und ermöglicht die experimentelle Validierung von Verbesserungen im Energiemanagement und in der Netzqualität.
  • Ein Digitaler Zwilling ermöglicht das Testen neuartiger Steuerungen oder Technologien, ohne dass echte Hardware benötigt wird, die teuer oder schwer zugänglich sein kann. Dies schafft eine sicherere Umgebung für die Durchführung „riskanter Tests“, wie z. B. Fehlerszenarien, ohne das eigentliche System zu gefährden.
  • Der Einsatz eines digitalen Zwillings kann ohne Unterbrechung der Forschungsarbeit erfolgen, da keine Systemstillstände, wie z. B. die Abschaltung eines Beschleunigers, abgewartet werden müssen. Dies kann die Integrationszeit erheblich verkürzen und den Entwicklungsprozess vereinfachen.
  • Ziel der Forschung ist es, herauszufinden, wie sich KARA an der Bereitstellung von Hilfsdiensten wie Spannungs- oder Frequenzunterstützung beteiligen kann. Diese Maßnahmen könnten den Markt ausgleichen und Frequenzen regulieren, die zu den aktuellen Verfügbarkeiten passen.

Durch den Einsatz dieser KI-gestützten Infrastruktur und PHIL können wir die flexiblen Netzdienste verbessern. Dies kann durch die Anpassung des Lastverbrauchs an den Marktbedarf und die Integration kohlenstoffarmer Technologien wie Photovoltaik und wasserstoffbasierte Energiespeichersysteme erreicht werden.